a true crime experience

Tour de France

Bis heute kann ich nicht wirklich nachvollziehen, wie es mir gelungen ist, den falschen indischen Anwalt davon zu überzeugen, dass ich 1.460 Euro an ihn überwiesen habe. Aber er hat mir den Eingang meines Geldes bestätigt, und jetzt soll ich weitere 8.600 Euro an den ebenfalls falschen indischen Banker Ramold Alex überweisen. Nur das “Wie” der Geldübergabe war bisher nicht geklärt. Bisher, denn soeben erreicht mich diese Email:

Sehr geehrter Kunde Thomas Haselmann,

Es wird empfohlen, die Zahlung per Post oder Deutsche Post (deutsche Bundespost) zu leisten. Bitte gehen Sie zu Ihrer Bank und heben Sie das Bargeld in Höhe von 8600 Euro von Ihrem Bankkonto ab und senden Sie es per Expressversand an die unten stehende Adresse.

Hinweis: Sie müssen das Bargeld in Höhe von 8600 Euro in einen Umschlag stecken und versiegeln und per Expressversand an die unten stehende Adresse senden. Dies ist der schnellste Weg, um Ihre Zahlung zu erhalten, um Verzögerungen zu vermeiden.

Die konkreten Vorgaben zum Vorgehen erinnern mich stark an die letzte Bundestagswahl: Stecken Sie den roten Umschlag mit dem Wahlzettel in den weißen Umschlag und kleben Sie diesen zu. Nur, dass in diesem Fall statt Wahlunterlagen Bargeld in das Kuvert gelegt werden soll.

Auch hier wird empfohlen, die Zahlung über die Deutsche Bundespost oder eine Postfiliale in Ihrer Nähe zu versenden. Alles, was Sie tun müssen, ist, zu Ihrer Bank zu gehen und nur den Bargeldbetrag von 8600 Euro abzuheben und ihn in einen Umschlag zu stecken, den sie versiegeln, und ihn an die untenstehende Adresse zu senden.

Name: Osazuna Osaigbovo
Adresse: 12 bis boulevard Victor
Postleitzahl : 75015
Stadt : Paris
Betrag: 8600 Euro

Ich soll 8.600 Euro in bar in einem Kuvert an eine Adresse in Paris versenden! Wer auf diesem Planeten ist bitte so naiv, dass er Geld, das vermeintlich für eine Bank in Indien bestimmt ist, per Brief an eine Privatadresse in Frankreich sendet?

Bevor ich die Email zu Ende lese, gebe ich die Adresse bei Google Maps ein. Der “Boulevard Victor” liegt im Herzen von Paris, direkt an der Seine. Über Google Streetview habe ich sogar die Möglichkeit, mich etwas in der Straße umzusehen. Ich entdecke das Haus mit der Nummer 12.

Auszug aus Google Streetview.

Hierhin also soll ich das Kuvert mit Bargeld schicken – von Franken nach Frankreich. Als Empfänger wurde mir der Name “Osazuna Osaigbovo” genannt. Der Name “Osaigbovo” kommt fast ausschließlich im afrikanischen Nigeria vor. Sollten also Nigerianer hinter der Abzocke stehen? Oder wird hier wieder einmal eine geklaute Identität verwendet, um die Geldübergabe abzuwickeln?

Ich vermute, dass es sich bei der angegebenen Adresse nur um einen Briefkasten handelt. Es wäre zu leichtsinnig von den Ganoven, wenn sie mir ihre echte Adresse einfach mitteilen würden. Aber vielleicht wohnt hier jemand, dessen Aufgabe es ist, Post entgegenzunehmen und weiterzuleiten.

Alle Fragen, die in meinem Kopf aufkommen, kann ich an dieser Stelle nicht beantworten. Daher lese ich weiter, was mir Ramold Alex noch alles schreibt:

Senden Sie uns die Sendungsverfolgungsnummer, sobald das Geld verbucht wurde, damit wir Ihre Zahlung verfolgen können.

Hinweis: Zweck des Sendens sollte der persönliche Gebrauch an einen Freund sein.

Auf uns können Sie vertrauen. Das Beste im Bankensystem zu geben, ist unsere Priorität.

=======================================================================

Thanks for your business as usual.
               Signed.
 Head Banking Operations.

Customer service department.
Mr. Ramold Alex

Tel:+918904635993

Immerhin kenne ich jetzt einen Namen und eine Adresse, die irgendwie in Verbindung zu den Kriminellen stehen. Trotzdem muss ich mir überlegen, wie ich weiter vorgehen soll. Um etwas Zeit zum Nachdenken zu gewinnen, antworte ich meinem Bankmitarbeiter per Email:

Sehr geehrter Mr. Ramold Alex,

vielen Dank – so können wir es machen. Ich werde am Montag zur Bank gehen und das Geld abheben (8600 Euro). Dann packe ich es in ein Kuvert und sende Ihnen die Sendungsverfolgungsnummer.

Ist die Adresse richtig? Sie haben eine Adresse in Paris geschickt. Aber ich dachte, sie sind in Delhi? Soll ich besser an Ihr Büro in Delhi senden?

Viele Grüße

Thomas Haselmann

Ich bin auf die Begründung gespannt, warum ich Geld, das für Delhi in Indien bestimmt ist, an einen Nigerianer in Paris senden soll.

Morgen ab 17 Uhr werde ich hier die Antwort veröffentlichen und davon erzählen, wie sich die Sache weiter entwickelt.

6 Kommentare

  1. orinoco

    > Wer auf diesem Planeten ist bitte so naiv, dass er Geld, das vermeintlich für eine Bank in Indien bestimmt ist, per Brief an eine Privatadresse in Frankreich sendet?

    Wenn die Dollarzeichen in den Augen aufleuchten, dann setzt bei nicht wenigen Zeitgenossen gleichzeitig der Verstand aus. Das ist sowieso die psychologische Masche mit der hier Abzocke betrieben wird: was sind schon ein paar lumpige, nicht mal zweistellige Tausend Euro gegen Millionen Dollar? (aber nur die Aussicht darauf)

    Die Bestätigung der nicht gesendeten 1.460 Euro könnte übrigens eine Finte der Gegenseite sein, da sie sie Probleme mit derart dubiosen Überweisungen wohl inzwischen kennen, aber den (scheinbar willigen) Fisch an der Angel nicht verlieren wollen. Jetzt wollen sie ja wohl auf Bargeld und Postversand setzen.

    Das mit den Augen, den Dollarzeichen und dem Verstand gilt natürlich auch umgekehrt für die Betrüger: wenn die Geld sehen wollen, müssen sie sich um jedes Opfer bemühen und übersehen dabei wohl auch die vielen Ungereimtheiten, die es ja inzwischen zahlreich gibt.

    Gibt übrigens einen hübschen Film mit Heinz Erhardt zum Thema: “Geld sofort!” (1961). Der Titel sagt eigentlich schon alles. Manche Dinge ändern sich eben nie und andere noch später.

    • Thomas

      Hallo Orinoco,

      vielen Dank für Deinen Kommentar. Wer “so naiv” ist, kann ich Dir nicht beantworten. Ich glaube aber tatsächlich, dass es Menschen gibt, die aus Gier oder aus Naivität heraus tatsächlich Geld in die Hand nehmen und bezahlen. Mag es für denkende Menschen noch so irrational wirken.

      Ich habe in den letzten Tagen Emails von Menschen erhalten, die aus Gutgläubigkeit auf solche Emails geantwortet haben und erst später skeptisch wurden. Ich habe aber auch von zwei Fällen aus meinem Umfeld erfahren, wo tatsächlich Geld gezahlt wurde. Ich scheue mich immer, diese Menschen als “dumm” zu bezeichnen. Aber gerade bei der Geschichte um Mariya könnte man tatsächlich von der Gier geblendet werden. So oder so – es ist Betrug, der im großen Stil stattfindet und der offensichtlich auch bei dem einen oder anderen Fall zum Erfolg führt.

      Ob mein Gegenüber mich “verarscht” hat, indem der Geldeingang meiner1.460 Euro bestätigt wurde, halte ich ebenfalls für denkbar. Aber Gewissheit habe ich nicht.

      Danke auch für den Filmtipp! Ich kenne den Film nicht – habe ihn aber schon bei einem meiner Streaming-Anbieter entdeckt und ich werde ihn mir in den nächsten Tagen mal anschauen!

      Viele Grüße und schönen Abend!

  2. Fritz

    Du könntest das Geld vielleicht auch persönlich nach Paris bringen:). Dann fahre ich mit:):)
    Ich wollte schon lange mal wieder das schöne Paris besuchen

    • Thomas

      Liebe Fritz, mit Dir fahre ich überall hin 😉

      • Fritz

        Das wird eine lustige Fahrt. Ich freue mich schon darauf:)

        • Thomas

          👍😅😅😅

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