Mein Kuvert, in dem vermeintlich 8.600 Euro in Scheinen stecken, sollte heute sein Ziel in der französischen Hauptstadt erreichen. Noch ist es nicht angekommen, wie mir der Bankmitarbeiter Mr. Ramold Alex um 9 Uhr morgens per Email bestätigt:
Sehr geehrter Kunde Thomas Haselmann,
Wir haben das Geld noch nicht erhalten. Wir hoffen, dass es heute oder morgen ankommt.
Der Gesundheitszustand von Frau Mariya Singh ist wirklich schlecht. Der Arzt bestätigt, dass sie Atembeschwerden hat und nur mit Hilfe einer Sauerstoffmaske reagieren kann. Bei ihr wurde Krebs diagnostiziert und der Arzt sagte, sie werde nicht schreiben können und diese Krankheit nicht überleben.
Wir beten, dass Gott sie heilt und ihr Barmherzigkeit schenkt. Ihr Gebet ist gefragt.
Wir werden sicherstellen, dass Ihr Geld überwiesen wird, sobald das Geld eintrifft.
Ich habe starke Zweifel, dass meine Gebete beim Zusammenspiel von Krebs, Schlaganfall und Herzinsuffizienz noch etwas ausrichten können. Aber ich freue mich einmal mehr über den zynischen Pathos des betrügerischen Bankmitarbeiters. Schließlich weiß ich seit “Tag 1”, dass Mariya gar nicht existiert.
Auch der indische Anwalt Meenal Kashyap schreibt mir heute Vormittag noch eine Email und unterstreicht die Aussagen des Bankmitarbeiters:
Hallo Sehr geehrter Thomas Haselmann,
Der Gesundheitszustand von Frau Mariya Singh ist schlecht. Sie leidet unter Atembeschwerden und wurde mit Sauerstoff maskiert. Der Arzt bestätigt, dass sie dies möglicherweise nicht überleben wird. Sie braucht deine Gebete. Sie kann ihrer Gesundheit zuliebe nicht schreiben.
Ich möchte, dass Sie alle Anweisungen der Deutschen Bank India befolgen, um Ihre Geldüberweisung auf Ihr Bankkonto zu ermöglichen.
Mit freundlichen Grüßen
Rechtsanwalt Meenal Kashyap Associate
Fast klingt es so, als werde ich von Mariya nichts mehr hören. Die beiden werden Mariya sterben lassen. Und obwohl ich weiß, dass Mariya niemals existierte, macht mich diese Gewissheit traurig. Schließlich war Mariya in den letzten Wochen fester Bestandteil meines Lebens. Jeder Tag öffnete ich gespannt meinen Posteingang und war neugierig, welche Informationen und Anweisungen ich wohl wieder aus Indien bekommen würde.
Ebenfalls zum Ritual geworden ist mein täglicher Besuch auf der Internetseite des französischen Postunternehmens. Und heute erhalte ich endlich diese Meldung:
Ihre Sendung konnte nicht zugestellt werden. Für mehr Informationen lesen Sie bitte die Benachrichtigungskarte des Postzustellers in Ihrem Briefkasten.
Ich hatte beim Versenden meines Kuverts angegeben, dass es nur persönlich an den Empfänger ausgehändigt werden soll. Scheinbar konnte der Empfänger aber nicht angetroffen werden und es wurde eine Benachrichtigung für ihn hinterlassen. Das lässt darauf schließen, dass zumindest ein Briefkasten mit dem entsprechenden Namen an der Adresse in Paris existiert. Kurze Zeit später wird allerdings die Status-Mitteilung der französischen Post noch einmal aktualisiert:
Ihre Sendung wird auf Nachsendeantrag des Empfängers an eine neue Adresse nachgesendet.
Jetzt passiert genau das, was ich befürchtet habe: Mein Kuvert wird an eine andere Adresse weitergeleitet! Eine Adresse, die ich nicht kenne. Ich rufe die Hotline der französischen Post an und möchte erfahren, an welche Adresse mein Kuvert weitergeleitet wird. Allerdings scheitert die Kommunikation an meinen mangelhaften Französisch-Kenntnissen.
Daher entschließe ich mich, am Abend eine Email zu formulieren und meine Anfrage schriftlich an die Post in Frankreich zu stellen. Dazu wird es aber nicht mehr kommen, denn als ich heute nach Hause komme, finde ich verschiedene Nachrichten meines Bankmitarbeiters auf meinem Handy. Offensichtlich ist das Kuvert doch schon beim Empfänger angekommen:
Scheinbar ist mein Plan nicht aufgegangen. Ich habe statt Geld nur Zollformulare in das Kuvert gepackt und hatte gehofft, dass somit der “schwarze Peter” nicht bei mir landen würde, sondern bei den europäischen Zollbehörden. Aber aus irgendeinem Grund wurde meinem Gegenüber heute klar, dass mein Ausweis gefälscht ist. Ein Ausweis, den ich ihm bereits vor Wochen zugeschickt habe.
“Du bist ein Betrüger und du spielst mir uns vor”. Ich würde es vermutlich nicht so drastisch formulieren, aber im Kern stimmt die Aussage. Ich habe wochenlang den naiven, zahlungswilligen Internetnutzer nur gemimt. Ob ich aber deshalb ein Betrüger bin? Immerhin haben die letzten Wochen doch gezeigt, dass die Betrüger am anderen Ende der Internetleitung sitzen und genauso mit mir “gespielt” haben.
Ich habe noch weitere Nachrichten erhalten:
Warum merkt mein Gegenüber erst heute, dass das Geburtsdatum auf meinem Ausweis, der 30. Februar, ungültig ist? Warum fällt erst heute auf, dass die Ausweisnummer erfunden ist? Ich kann es nicht sagen. Aber ich lese den Zorn zwischen den Zeilen von Mr. Ramold Alex: Ich sei ein Fake-Ass-Mann!
Ich überlege, wie ich auf die Beleidigung reagieren soll. Ein Betrüger, der mit vorwirft, ein Betrüger zu sein. Allerdings muss ich nicht lange überlegen. Es kann nur eine Antwort auf seine WhatsApp-Nachricht geben! Daher schreibe ich ihm:
I did what I did for Mariya 😘
Die Antwort von Mr. Ramold Alex lässt nicht lange auf sich warten:
Der Mitarbeiter der indischen Bank schickt mich zur Hölle und bezeichnet mich einmal mehr als Betrüger (Scammer). Das möchte ich allerdings nicht einfach so stehen lassen. Daher antworte ich ihm noch einmal:
Meine Gegenfrage bleibt unbeantwortet. Für immer. Mr. Ramold Alex hat mich blockiert, und meine Nachricht kann nicht mehr zugestellt werden.
An dieser Stelle endet die Geschichte um Mariya sehr abrupt. Eine Geschichte, die mit einer Spam-Mail aus Indien begann und die mich dazu verleitet hat, einen Ausweis und Kontobelege zu fälschen. Eine Geschichte mit geklauten Fake-Konten in Deutschland und einer Postadresse in Frankreich. Eine Geschichte, in der ich als der “von Gott ausgewählte” bezeichnet wurde, um dann letztlich zur Hölle geschickt zu werden.
Ich freue mich über jede Leserin und jeden Leser, die mich in den letzten Wochen begleitet haben. Und ich hoffe, dass die Geschichte um Mariya gleichzeitig sensibel macht und als Warnung vor dubiosen “Geschäftemachern” im Internet dient.
Auch wenn die Geschichte um Mariya hiermit beendet ist, hat sich im Nachhinein noch ein spannender Hinweis auf die Hintermänner ergeben. Daher wird es morgen um 17 Uhr noch einmal ein letztes Update geben!
Eine unglaublich tolle Geschichte Thomas 👍👍😊
Oh Mann, da geht einer in die Luft. Ich frage mich nur, warum sie die Fälschungen erst jetzt bemerken. Haben Sie mit den Dokumenten noch einen großen Coup vorgehabt? Könnte mir auch vorstellen, dass die ganzen Vorarbeiten von Hilfskräften durchgeführt werden, der Erhalt des Geldes aber von cleveren Betrügern geprüft wird. Schade, dass Du von Mariya so gehen musst. Sie hat einen echten Freund verloren.
Wow du bist also der Betrüger 😊 danke für diese unglaublich tolle, spannende Geschichte! Bin gespannt was morgen noch kommt und dann traurig , da mir ein lieb gewonnenes Ritual, deine Geschichte sehr fehlen wird! Danke dir 😘
Hey, du Betrüger. Danke für 4 Wochen “Entertainment de luxe”. Schade, dass wir jetzt allerdings nie erfahren, ob Mariya “überlebt” und wer die Millionen an deiner statt “erbt”…
Bin gespannt auf die Infos zu den Hintermännern (juhuu, eine Zugabe)!
Eine fesselnde Geschichte…… habe mich immer schon darauf gefreut abend davon zu lesen🤩🤩🤩 es war sehr spannend lieber thomas, du hast dir da sehr viel Mühe gemacht. Viele werden das jetzt vermissen. Danke 👍🤩
Vielen Dank für Euren Vielen Kommentare! Ich freue mich über jeden einzelnen ❤️❤️❤️, auch wenn ich nicht jeden einzelnen beantworten konnte. Morgen gibt es noch mal ein, wie ich finde, lesenswertes Update. Und ich hoffe sehr, dass viele Leser gewarnt sein werden 👍 ich habe einige Nachrichten bekommen von Menschen, die tatsächlich schon auf solche Geschichten reingefallen sind ☹️ auch wenn man immer wieder davon liest sollte man misstrauisch bleiben, gerade im Internet
Haha, so nun bist also du der Scamer 😅
Jetzt ist die Bände aus Timbuktu an einen würdigen Scambaiter geraten “händchenreib” und kann poltern wie Rumpelstilzchen.
Ich finde es immer noch unglaublich was die für schlechtes Hilfpersonal haben, wegen dem erst jetzt bemerkten und gefakten Perso.
Ich fiebere auf morgen 😎
Liebe Grüße aus Aux Uli
Hier bei mir hat der Hilfsarbeiter, Worterkennung Samsung auch zugeschlagen 🙃
Lieber Thomas, es ist all zu schade ☹️ das die Geschichte zu Ende ist.
Ich habe immer mal wieder kleine Pausen gemacht um nicht so lange über den „Cliffhanger“ hinaus warten zu müssen. Dann habe ich wieder mehrere „Tagesberichte“, wie die das Kapitel eines Buches.
Diese Spannung (du kennst es ja selbst) hätte ich nicht jeden Tag aushalten können. 😜
Aber das gelingt ja nur bedingt 🙈 wie jedermann*frau weis.
Ich danke dir für die vielen spannenden Abende, in den letzten Wochen .
Jetzt also noch die morgendliche Dernière.
Ich freue mich schon drauf …
Trage aber auch Trauer darüber, dass es vorbei ist.
You did what you did, for Mariya. „Sie möge in Frieden ruhen. 🙊🤗
Ebenso wie die „kleinen Teufel 😈 Herr Meenal Kashyap und Mr. Ramold Alex“
Mögen sie „innerlich brennen“ und so „Luzifers Hitze“ spüren 👏👏👏
Ich hätte noch mal an alle von den Scammern verwendete E-Mail Adressen eine hämische Abschiedsmail geschickt, in der ich ihnen die ganze Wahrheit®™ und dass ich sie genau so zum Narren gehalten habe wie sie mich erzählt hätte. Denn eine (die eigene) E-Mail Adresse gezielt zu blocken ist schon technisch schwieriger als bei Whatsapp. Und dann hätte ich alle diese E-Mail Adressen selbst geblockt, da ich weiß wie das geht bzw. die technischen Mittel dazu habe. Ohne wär aber auch nicht weiter schlimm.
…warte mal auf heute Abend 😉