Zur Erinnerung: Mariya fordert in ihrer letzten Email an mich eine ganze Reihe an Informationen von mir:
Sie müssen mir Ihre unten aufgeführten Daten senden, damit die Verfahren für diese Transaktion sofort beginnen und diese Gelder an Sie überwiesen werden.
1) Ihr vollständiger Name
2) Telefonnummer
3) Ihr Foto oder Personalausweis
4) Name Ihres Landes
5) Ihren Ehestand
6) Ihr Alter’
7) Ihren BerufHinweis: Stellen Sie sicher, dass Sie beim Ausfüllen des Formulars Ihr Foto angehängt haben.
Meinen Namen kennt sie schon – es macht also keinen Sinn, dass ich mir einen anderen Namen ausdenke oder verschleiere.
Was die Telefonnummer angeht, wird es schon kniffliger. Ich möchte ihr natürlich nicht meine echte Telefonnummer senden. Ich denke zwar kurz darüber nach, ihr eine beliebige andere, deutsche Telefonnummer zu senden – die Telefonbücher sind schließlich voll davon – aber den Gedanken verwerfe ich schnell. Dann fällt mir aber ein, dass die Bundesnetzagentur, die zuständige Behörde für Telekommunikation, eine ganze Reihe von Telefonnummern anbietet, die nicht vergeben werden. Diese werden vor allem in Filmen eingesetzt. Also immer, wenn im Tatort auf dem Handydisplay eine Nummer zu sehen ist, kann man davon ausgehen, dass es sich um eine Fake-Nummer der Bundesnetzagentur handelt. Eine kurze Recherche brachte mich zu einer Liste, von der ich mir eine Nummer ausgesucht habe.
Wesentlich kniffliger ist die Sache mit dem Personalausweis. Ich gehe davon aus, dass es eine Straftat ist, einen gefälschten Ausweis zu besitzen. Und ich gehe auch davon aus, dass es eine noch größere Straftat ist, selbst einen Personalausweis zu fälschen. Trotzdem mache ich mich auf die Suche im Netz und finde dort etwas, was jeder schon einmal gesehen hat:
Diesen Ausweis habe ich tatsächlich selbst schon einmal besessen: er steckte, auf Karton gedruckt, in einem neuen Portemonnaie, um mir zu zeigen, dass ich in diesem Fach meinen Ausweis aufbewahren könne. Diesen Ausweis darf man wohl also verbreiten.
Mein Problem: Weder der Name noch das Gesicht passen zu meiner neuen Identität. Auf dem Ausweis muss mein Name stehen und ein glaubwürdigeres Foto. Allerdings möchte ich kein Foto von mir auf dem Ausweis sehen.
Es wäre zwar ein Leichtes, im Internet ein Foto eines Mittvierzigers zu finden und das auf den Ausweis zu retuschieren, aber das wäre wohl auch verboten. Ich brauche also das Foto eines Mannes, der nichts gegen die Verwendung seines Portraits auf einem gefälschten Ausweis hat. Spontan fällt mir hier niemand ein.
Einfacher scheint mir folgende Idee: Wenn ich ein Foto eines Mannes hätte, den es gar nicht gibt, dann könnte dieser ja auch nichts gegen die Verwendung des Fotos haben.
Im Fernsehen habe ich einmal einen Bericht gesehen, dass Strafermittler computergenerierte, fotorealistische Bilder einsetzen, um “Vertrauen” zu Pädokriminellen aufzubauen und diese überführen zu können. Die Kriminellen möchten als Beweis für die gleiche Gesinnung beim Gegenüber oft Bilder sehen, die einen Missbrauch zeigen. Solche Bilder sind illegal, und würden die Strafermittler solche Bilder versenden, würden sie sich selbst strafbar machen. Daher werden eben computergenerierte Bilder verwendet, bei deren Erstellung keine Person zu Schaden kommt.
Ich mache mich also auf die Suche nach einer Möglichkeit, einen fotorealistischen Charakter zu erstellen, und stoße dabei auf diese Internetseite. Und ich finde, das Ergebnis kann sich sehen lassen.
Das ist also mein neues Alter-Ego. Mit etwas mehr Haupthaar, etwas verschobenem Gesicht, und vollständig und mit nur wenigen Mausklicks am Computer erstellt.
Die restliche Arbeit übernimmt dann Photoshop für mich. Nachdem ich mir immer noch nicht sicher bin, ob das, was ich hier tue, alles legal ist, entscheide ich mich, den Ausweis nicht für die Bundesrepublik, sondern für die “Bunte Republik Deutschland GmbH” auszustellen. Es folgt hier und da etwas Retusche, ich füge das neue Bild ein und entscheide mich für den 30. Februar als Geburtstag.
Ich möchte aber nicht alles fälschen – immerhin bei der Angabe des Geburtsortes (Kreißsaal) war ich ehrlich. Die Unterschrift von Frau Mustermann gefällt mir gut, diese lasse ich unberührt. Am Ende noch etwas Unschärfe über den Fake-Ausweis, und das Dokument ist fertig für seine Reise nach Indien.
Ich bin zufrieden mit meiner Arbeit. Morgen werde ich Mariya antworten und ihr die gewünschten Informationen zukommen lassen.