a true crime experience

Kategorie: Mariya (Seite 3 von 3)

Bitte überweisen Sie mir 10 Millionen

Wie von Mariya gewünscht, schreibe ich eine Email an die Adresse, die sie mir zuvor mitgeteilt hat und die laut ihren Angaben zur Deutschen Bank in Indien gehört. Dass diese Adresse ganz offensichtlich nicht zur Deutschen Bank gehört, konnte ich zweifelsfrei feststellen, daher lasse ich mich auf das Spiel ein und schreibe:

Sehr geehrte Damen und Herren,

es schreibt Ihnen Thomas Haselmann aus Deutschland. Die wunderbare und sterbenskranke Mariya Singh bittet mich, Kontakt mit Ihnen aufzunehmen. Ich wurde von ihr auserwählt, den finanziellen Nachlass ihres verstorbenen Mannes in Höhe von 10.850.000,00 € zu verwalten.

Im Anhang finden Sie die Dokumente, die Frau Singh mit übermittelt hat. Damit sollte einer Überweisung nichts mehr im Wege stehen und ich freue mich schon auf den Geldeingang.

Sonnige Grüße nach Indien

Thomas Haselmann

Ich füge der Email die beiden Dokumente bei, die Mariya mir mit der letzten Email übermittelt hat. Ich bin gespannt, ob ich hier eine Antwort bekomme und wer mir wohl antworten wird.

Zudem möchte ich auch Mariya gleich darüber informieren, dass ich Kontakt mit der Bank aufgenommen habe und sende ihr noch ein paar kurze Zeilen ans Sterbebett:

Liebe Mariya,

es freut mich sehr, Deine Worte zu lesen. Kurzzeitig hatte ich die Befürchtung, Deine schrecklichen Krankheiten hätten Dich dahingerafft, noch bevor mich das Geld erreicht.

Ich habe, wie von Dir gewünscht, Kontakt mit der Deutschen Bank in Indien aufgenommen und die Dokumente von Dir an die Bank weitergeleitet.

Darf ich Dich fragen, warum Du ausgerechnet mich dafür auserwählt hast, die Millionen Deines verstorbenen Mannes zu verwalten?

Liebe Mariya, bitte halte noch etwas durch, bevor Du Deinem Schöpfer-Triumvirat gegenübertrittst. Ich melde mich, wenn ich von den Bänkern eine Rückmeldung bekommen habe. Vielleicht kannst Du auch noch mal bei der Bank nachfragen, ob meine Email dort angekommen ist?

Viele Grüße nach Indien

Dein guter Freund Thomas

Scheinbar nimmt die Sache hier eine entscheidende Wendung: Ganz offensichtlich ging es nicht nur darum, meine Daten abzugreifen. Aber ich habe keine Idee, wohin mich Mariya mit ihrer Geschichte führen wird. Ich bin gespannt auf die Antwort aus Indien.

Vertrauen ist der Anfang von allem

Fast hatte ich befürchtet, die Geschichte endet damit, dass Mariya die geforderten Daten von mir erhalten und somit ihr Ziel erreicht hat. Seit zwei Tagen habe ich nichts mehr aus Indien gehört, bis soeben diese Email in meinem Posteingang aufpoppt:

Hallo mein lieber Begünstigter

Ich freue mich sehr über Ihre Antwort in dieser Angelegenheit und möchte, dass Sie wissen, dass ich meine Hoffnung und mein Vertrauen auf Sie und den allmächtigen Gott im Himmel gesetzt habe, und lassen Sie mich am Ende bitte nicht im Stich, weil ich meine Wünsche zuvor erfüllen möchte Ich sterbe in wenigen Monaten.

Bis hierhin nichts Neues. Die Person, die mir hier schreibt, gibt immer noch vor, die sterbenskranke Mariya zu sein. Aber was könnte jetzt noch kommen? Schließlich habe ich den (dilettantisch gefälschten) Ausweis und (falsche) Kontaktdaten schon an sie geliefert. Aber Mariya legt nach:

Ich habe Ihre Daten bereits an die Deutsche Bank of India weitergeleitet, wo die Gelder in Höhe von 10.850.000,00 € (zehn Millionen achthundertfünfzigtausend Euro) eingezahlt wurden, und unten finden Sie die Bankkontaktinformationen, um das Büro für die Geldüberweisung an Sie als neue Ernennung zu kontaktieren Nutznießer. Laut der Bank bitten sie mich, Sie zu informieren, sie persönlich mit der Einzahlungsbescheinigung über die untenstehende E-Mail zu kontaktieren, damit sie Sie als neuen ernannten Begünstigten sehr gut kennen, um die Transaktion mit Ihnen fortzusetzen und Ihnen das Geld zu überweisen sobald möglich, also senden Sie ihnen einfach eine E-Mail mit der untenstehenden E-Mail-Adresse und teilen Sie ihnen mit, dass Sie mein ernannter Begünstigter sind, dass Sie das Geld an Sie ausgezahlt haben möchten.

Beachten Sie auch, dass dieser Mail ein Dokument beigefügt ist, es ist die Einzahlungsbescheinigung, die Quittung wurde meinem verstorbenen Ehemann am Tag der Geldeinzahlung ausgehändigt, und die Bank hat mich angewiesen, es Ihnen zuzusenden, damit Sie es senden können an sie, wenn Sie sie über diese E-Mail unten kontaktieren, also müssen Sie dieses Zertifikat zusammen mit Ihrer E-Mail senden, wenn Sie die Bank kontaktieren.

Mariya übermittelt mir die Dokumente und die Adresse info@dbkonline-in.com. Die zugehörige Domain soll wohl für “Deutsche Bank Online Indien” stehen, sie führt aber zu keiner Internetseite.

Auch meine oberflächliche Recherche nach dem Eigner der Domain bringt keine klaren Erkenntnisse. Sicher ist aber: diese Internetadresse hat nichts mit der Deutschen Bank zu tun. Schade, denn die Deutsche Bank warb in den 1990er Jahren mit dem Slogan “Vertrauen ist der Anfang von allem”. Und nichts negiert das Verhältnis zwischen Mariya und mir mehr als diese Aussage.

Mariya hingegen scheint das nicht so zu sehen und gibt mir klare Anweisungen:

Sie müssen eine E-Mail mit dieser E-Mail an die Bank senden und ihnen mitteilen, dass Sie mein ernannter Begünstigter sind, dass sie das Geld so schnell wie möglich an Sie überweisen sollten, da die Bank mir eine E-Mail geschrieben und mich aufgefordert hat, Sie zu informieren, sie zu kontaktieren Office direkt an ihre E-Mail, damit sie Ihnen die Anweisungen geben, wie der Austausch des Begünstigten zwischen uns sofort durchgeführt wird, damit das Geld an Sie überwiesen werden kann.

Was soll es mir nützen, in diesem Zustand, in dem ich jetzt bin, die ganze Welt zu gewinnen und meine Seele an den Teufel zu verlieren, absolut nichts”, also habe ich beschlossen und gelobt, diese Gelder den weniger privilegierten Menschen zu geben, also brauche ich Ihre Unterstützung, um dies zu erreichen diesen Traum, weil Gott sehr glücklich mit mir sein wird, selbst wenn ich sterbe, wenn dieses Gute getan wird, um das Leben anderer zu verbessern.

Ich habe dieser E-Mail eine Scan-Kopie der Original-Einzahlungsbescheinigung der Geldeinlage beigefügt und stellen Sie sicher, dass Sie sich mit der Einzahlungsbescheinigung an die Deutsche Bank of India wenden, da sie mich angewiesen hat, Sie zu informieren.

Schöne Grüße
Frau Mariya Singh

Bis jetzt war das alles ganz unterhaltsam. Aber jetzt fordert Mariya mich auf, dass ich proaktiv eine Email an die vermeintliche Deutsche Bank in Indien schreibe. Ich bin skeptisch und gleichzeitig einfach zu neugierig um nicht zu erfahren, wo die eigentliche Motivation für Mariyas Lügengeschichte liegt. Ich muss nur noch überlegen, wie genau ich die Email an die Bank formuliere. Morgen werde ich sie absenden!

Wo ist Mariya?

Es ist jetzt zwei Tage her, dass ich Mariya meinen Fake-Ausweis geschickt habe. Seitdem habe ich nichts mehr aus Indien gehört. Vielleicht lag ich mit meiner Theorie, Mariya habe ihr Ziel erreicht, gar nicht so falsch.

Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf, noch einmal etwas aus Indien zu hören und schreibe ihr erneut:

Liebe Mariya,

ich hoffe, Dir geht es gut – so weit es Dir gut gehen kann bei den ganzen Krankheiten.

Ich habe Dir vorgestern meinen Personalausweis gesendet. Ist der bei Dir angekommen?

Viele Grüße

Thomas Haselmann

Ich bin gespannt, ob die Geschichte hier schon enden wird oder ob ich noch einmal ein Lebenszeichen von der Sterbenden bekommen werde.

I faked what I faked for Mariya

Jetzt soll Mariya meine neue, gefälschte Identität kennenlernen. Ich habe viel Zeit für die Erstellung meines neuen Ausweises aufgewendet und ich bin gespannt, ob sie auf meinen Schwindel hereinfällt und schreibe ihr:

Liebe Mariya,

es freut mich sehr, dass Du Dich noch einmal gemeldet hast. In meinen Träumen habe ich mir schon ausgemalt, was ich alles mit dem Geld anstellen werde, und ich habe gestern sogar schon bei Amazon einige Sachen bestellt. Ich hoffe daher, wir bekommen die Sache schnell geregelt.

Die Fairness verlangt es, dass ich ihr mitteile, dass ich sie durchschaut habe und dass ich weiß, dass sie mir Fotos einer verstorbenen indischen Politikerin geschickt hat. Da ich aber davon ausgehe, dass Mariya kein Wort Deutsch spricht und unsere Konversation durch ein Übersetzungsprogramm läuft, wähle ich eine Art Fantasiesprache. Jeder deutsche Muttersprachler wird die nachstehenden Zeilen lesen und verstehen können. Jedes Übersetzungsprogramm wird aber daran verzweifeln:

Ich danke Dir auch für die Fotos, die Du mir gesendet hast.

„Ich habe Deine Votthoos in einer Suhchmaaschinä eingegegegebän und sähe das die Bilder geklauhht sind und eine verstohrbähne Bohlytikkerin zeigen“. Das macht mir aber nichts, es schmerzt mich sehr, einen so schwer kranken Menschen auf den Bilder zu sehen.

Ich bin gespannt, ob Mariya bei einer Antwort auf diese Zeilen eingehen wird. Wenn ich überhaupt noch einmal eine Antwort bekomme – vielleicht ist sie ja auch mit der Zusendung meines Fake-Ausweises (siehe hier) zufrieden und wird sich nicht mehr melden.

Mein Fake-Ausweis

Hier die Informationen, die Du noch benötigst:

Meinen Namen Thomas Haselmann kennst Du ja schon und Du weißt, dass ich in Deutschland lebe. Meine Telefonnummer ist 0049(0)89 99998 123.

Alle anderen Angaben und ein Foto findest Du in beigefügtem Dokument.

Dann schreibe ich ihr noch ein paar Zeilen, um eine individuelle Antwort zu erhalten. Mal sehen, ob und wie sie darauf reagiert:

Eine Sache bereitet mir immer noch Kopfzerbrechen: In Deiner letzten Email schreibst Du, ich soll das Geld zum Unterhalt des Gotteshauses einsetzen. Ich vermute, Du bist Hinduistin. Jetzt habe ich mich mal etwas eingelesen und festgestellt, dass die Hindus ein Dreiergespann aus den Göttern Brahma, Vishnu und Shiva verehren. Bei uns hier gibt es auch ein Dreiergespann: Gott, Jesus und Heiliger Geist. Ich hoffe, das wäre eine geeignete Alternative, denn Kirchen gibt es hier einige. Wo der nächste Hindu-Tempel ist, müsste ich erst recherchieren.

Ich fühle mich sehr geehrt, dass Du mich für diese wichtige Aufgabe ausgewählt hast. Ich habe, zumindest was das Thema indisches Essen angeht, bereits Erfahrungen gesammelt. Das ist doch schon einmal eine gute Basis für unsere Zusammenarbeit!

Ich gehe davon aus, dass Mariya am Ziel ist. Sie hat meine vermeintliche Identität und eine Ausweis-Kopie. Vielleicht wird sie versuchen, irgendwo ein Konto damit zu eröffnen und illegale Geschäft abzuwickeln. Aber ich fände es schade, wenn unser Kontakt zum jetzigen Zeitpunkt schon abreisen würde. Daher meine abschließenden Worte an sie:

Liebe Mariya, brauchst Du noch etwas von mir? Oder wie gehen wir jetzt weiter vor? Du weißt, Deine Zeit ist knapp bemessen und wir sollten uns etwas beeilen.

Ich hoffe sehr, dass Du Dich wieder meldest. Ich habe sehr viel Spaß an unserer Konversation. Und natürlich wünsche ich Dir für Deine Gesundheit weiterhin alles Gute, ein stabiles WLAN im Krankenhaus und viel Erfolg bei der Bank.

Viele Grüße

Thomas Haselmann

Ich hänge meinen Ausweis an und schicke meine Worte auf den Weg nach Indien. Jetzt heißt es: abwarten! Ich bin gespannt, ob mein Fake auffliegt, oder ob Mariya vielleicht schon am Ziel ist. Jetzt, wo sie meine Daten hat…

Meine neue Identität

Zur Erinnerung: Mariya fordert in ihrer letzten Email an mich eine ganze Reihe an Informationen von mir:

Sie müssen mir Ihre unten aufgeführten Daten senden, damit die Verfahren für diese Transaktion sofort beginnen und diese Gelder an Sie überwiesen werden.

1) Ihr vollständiger Name
2) Telefonnummer
3) Ihr Foto oder Personalausweis
4) Name Ihres Landes
5) Ihren Ehestand
6) Ihr Alter’
7) Ihren Beruf

Hinweis: Stellen Sie sicher, dass Sie beim Ausfüllen des Formulars Ihr Foto angehängt haben.

Meinen Namen kennt sie schon – es macht also keinen Sinn, dass ich mir einen anderen Namen ausdenke oder verschleiere.

Was die Telefonnummer angeht, wird es schon kniffliger. Ich möchte ihr natürlich nicht meine echte Telefonnummer senden. Ich denke zwar kurz darüber nach, ihr eine beliebige andere, deutsche Telefonnummer zu senden – die Telefonbücher sind schließlich voll davon – aber den Gedanken verwerfe ich schnell. Dann fällt mir aber ein, dass die Bundesnetzagentur, die zuständige Behörde für Telekommunikation, eine ganze Reihe von Telefonnummern anbietet, die nicht vergeben werden. Diese werden vor allem in Filmen eingesetzt. Also immer, wenn im Tatort auf dem Handydisplay eine Nummer zu sehen ist, kann man davon ausgehen, dass es sich um eine Fake-Nummer der Bundesnetzagentur handelt. Eine kurze Recherche brachte mich zu einer Liste, von der ich mir eine Nummer ausgesucht habe.

Wesentlich kniffliger ist die Sache mit dem Personalausweis. Ich gehe davon aus, dass es eine Straftat ist, einen gefälschten Ausweis zu besitzen. Und ich gehe auch davon aus, dass es eine noch größere Straftat ist, selbst einen Personalausweis zu fälschen. Trotzdem mache ich mich auf die Suche im Netz und finde dort etwas, was jeder schon einmal gesehen hat:

Die Deutscheste unter den Deutschen: Erika Mustermann

Diesen Ausweis habe ich tatsächlich selbst schon einmal besessen: er steckte, auf Karton gedruckt, in einem neuen Portemonnaie, um mir zu zeigen, dass ich in diesem Fach meinen Ausweis aufbewahren könne. Diesen Ausweis darf man wohl also verbreiten.

Mein Problem: Weder der Name noch das Gesicht passen zu meiner neuen Identität. Auf dem Ausweis muss mein Name stehen und ein glaubwürdigeres Foto. Allerdings möchte ich kein Foto von mir auf dem Ausweis sehen.

Es wäre zwar ein Leichtes, im Internet ein Foto eines Mittvierzigers zu finden und das auf den Ausweis zu retuschieren, aber das wäre wohl auch verboten. Ich brauche also das Foto eines Mannes, der nichts gegen die Verwendung seines Portraits auf einem gefälschten Ausweis hat. Spontan fällt mir hier niemand ein.

Einfacher scheint mir folgende Idee: Wenn ich ein Foto eines Mannes hätte, den es gar nicht gibt, dann könnte dieser ja auch nichts gegen die Verwendung des Fotos haben.

Im Fernsehen habe ich einmal einen Bericht gesehen, dass Strafermittler computergenerierte, fotorealistische Bilder einsetzen, um “Vertrauen” zu Pädokriminellen aufzubauen und diese überführen zu können. Die Kriminellen möchten als Beweis für die gleiche Gesinnung beim Gegenüber oft Bilder sehen, die einen Missbrauch zeigen. Solche Bilder sind illegal, und würden die Strafermittler solche Bilder versenden, würden sie sich selbst strafbar machen. Daher werden eben computergenerierte Bilder verwendet, bei deren Erstellung keine Person zu Schaden kommt.

Ich mache mich also auf die Suche nach einer Möglichkeit, einen fotorealistischen Charakter zu erstellen, und stoße dabei auf diese Internetseite. Und ich finde, das Ergebnis kann sich sehen lassen.

Das ist also mein neues Alter-Ego. Mit etwas mehr Haupthaar, etwas verschobenem Gesicht, und vollständig und mit nur wenigen Mausklicks am Computer erstellt.

Die restliche Arbeit übernimmt dann Photoshop für mich. Nachdem ich mir immer noch nicht sicher bin, ob das, was ich hier tue, alles legal ist, entscheide ich mich, den Ausweis nicht für die Bundesrepublik, sondern für die “Bunte Republik Deutschland GmbH” auszustellen. Es folgt hier und da etwas Retusche, ich füge das neue Bild ein und entscheide mich für den 30. Februar als Geburtstag.

Ich möchte aber nicht alles fälschen – immerhin bei der Angabe des Geburtsortes (Kreißsaal) war ich ehrlich. Die Unterschrift von Frau Mustermann gefällt mir gut, diese lasse ich unberührt. Am Ende noch etwas Unschärfe über den Fake-Ausweis, und das Dokument ist fertig für seine Reise nach Indien.

Ich bin zufrieden mit meiner Arbeit. Morgen werde ich Mariya antworten und ihr die gewünschten Informationen zukommen lassen.

Das wahre Gesicht der Mariya Singh

Ich lade mir die Anhänge auf meinen Computer und schaue mir die Dateien etwas genauer an. Mariya hat mir vier JPG-Dateien gesendet, die sich nach Prüfung tatsächlich “nur” als Bilder herausstellen:

Diese vier Bilder hat mir Mariya gesendet.

Ich sehe eine Frau im Krankenbett. Das religiöse Mal auf der Stirn deutet auf eine Hindi hin. Die Bilder unterstreichen die Geschichte, die mir Mariya von sich erzählt hat. Trotzdem traue ich ihr nicht und mache mich weiter auf die Suche nach Hinweisen. Behilflich ist mir dabei die Google Bildersuche.

Google findet dieses Bild über 1000 mal im Internet

Ich lade ein Bild von Mariya hoch, und Google zeigt mir, ob und wo das Bild im Internet noch zu finden ist. Über 1000 Vorkommen des Bildes offenbaren einen interessanten Aspekt: Das Foto zeigt keineswegs meine Wohltäterin Mariya Singh, es ist ein Foto der indischen Schauspielerin und Politikerin Jayalalitha Jayaram. Diese war bis zu ihrem Tod im Jahr 2016 Regierungschefin in Tamil Nadu, einem Bundesstaat im Süden Indiens. Mehr Infos zu ihr gibt es bei Wikipedia.

Entweder ich korrespondiere die ganze Zeit mit einer toten Person, oder Mariya scheint eine Lügnerin zu sein und mir falsche Tatsachen vorzuspielen. Aber warum sollte sie das tun? Ich begebe mich weiter auf Spurensuche, und auch das Auslesen der in der Bilddatei gespeicherten Informationen bestätigt meinen Verdacht:

Auszug aus dem Code der Bilddatei

Die Versender der Email an mich haben sich nicht einmal die Mühe gemacht, die Herkunft der Bilder zu verschleiern. Keine Verfremdung, keine Manipulation. Einfach nur ein paar geklaute Bilder aus dem Internet, die eine kranke Inderin zeigen. Mariya ist eine Lügnerin, und ich möchte sie wissen lassen, dass ich sie durchschaut habe.

Auf der anderen Seite: was passiert, wenn ich mich auf ihr Spiel einlasse? Wenn ich so tue, als ob ich ihr die Geschichte der sterbenskranken Millionärswitwe glauben würde?

Was ich auf keinen Fall tun werde, ist das, was sie in der letzten Email an mich gefordert hat. Ich werde weder eine Kopie meines Personalausweises noch meine Telefonnummer an sie senden.

Also brauche ich einen gefälschten Personalausweis, eine gefälschte Identität. Wo man so etwas bekommt? Hinterm Hauptbahnhof, im Darknet, oder bei Konrad Kujau, der schon bei den Hitler-Tagebüchern herausragende Arbeit geleistet hat?

Ich werde mich schlau machen!

Das Gesicht der Mariya Singh

Tatsächlich erhalte ich ziemlich genau 24 Stunden nach meiner Antwort auf die Spam-Mail eine Email aus Indien. Allerdings geht der Absender nicht auf meine Fragen ein:

Hallo mein lieber Begünstigter

Ich danke Ihnen für Ihre dringende Antwort und Ihr Versprechen, mir zu helfen, diesen Fonds für wohltätige Zwecke zu spenden, wie ich Sie in meiner vorherigen E-Mail angewiesen habe. Die 60 Prozent dieses Geldes werden Ihr eigener Anteil für Ihre gut gemachte Arbeit sein und 40 Prozent Sie wird es verwenden und an die Wohltätigkeitsorganisation Menschen und Menschen in Not spenden.

Sie wissen, dass meine Situation hier im Krankenhaus als Krebsopfer sehr schwierig für mich ist, und ich möchte, dass Sie alle Ihre persönlichen Informationen wie unten angegeben per Post senden, damit ich mehr über Sie erfahren und die Deutsche Bank kontaktieren kann Indien, wo mein verstorbener Ehemann diese 10.850.000,00 € (zehn Millionen achthundertfünfzigtausend Euro) hinterlegt hat, damit sie die Prozedur der Transaktion mit Ihnen dringend beginnen, jetzt, da mein Arzt sagte, ich habe nur noch 3 Monate auf der Erde zu leben, bevor ich sterbe an der krebs- und schlaganfallkrankheit bin ich seit vielen jahren erkrankt.

Sie müssen mir Ihre unten aufgeführten Daten senden, damit die Verfahren für diese Transaktion sofort beginnen und diese Gelder an Sie überwiesen werden.

1) Ihr vollständiger Name
2) Telefonnummer
3) Ihr Foto oder Personalausweis
4) Name Ihres Landes
5) Ihren Ehestand
6) Ihr Alter
7) Ihren Beruf

Hinweis: Stellen Sie sicher, dass Sie beim Ausfüllen des Formulars Ihr Foto angehängt haben.

Scheinbar hat es Mariya auf meine Daten abgesehen. Aber handelt es sich hier tatsächlich nur um einen plump-dreisten Versuch, an meine persönlichen Daten zu kommen? Und was passiert dann damit? Wird dann auf meinen Namen irgendwo auf der Welt ein Konto eröffnet, über das kriminelle Machenschaften abgewickelt werden? Sollte ich die Sache nicht genau jetzt auf sich beruhen lassen? Ich lese weiter, was mir Mariya noch schreibt:

Sobald ich Ihre persönlichen Daten korrekt erhalte, werde ich sie an die indische Bank senden, bei der das Geld hinterlegt ist, damit sie Sie als den neu gewählten Begünstigten kennen kann, der das Geld nach mir erben wird, und ich werde Ihnen auch die Kontakte des geben Bank, damit die Bank die Transaktion sofort bearbeitet und ich möchte, dass Sie mir Ihr Foto oder Ihre Ausweiskopie zusenden, damit ich mehr über Sie erfahre.

Mariyas Satzbau strengt mich an. Immer wieder lese ich ihre Zeilen, um zu verstehen, was sie mir sagen möchte. Sie möchte scheinbar eine Kopie meines Ausweises, um mehr über mich zu erfahren.

Denken Sie daran, dass ich die Bank bereits über diese Transaktion informiert habe und einige davon habe Dokumente meines verstorbenen Mannes, die es der Bank ermöglichen, das Geld auf Ihr Konto ohne Zögern oder weitere Verzögerungen zu überweisen, der Kontoauszug und die Sterbeurkunde meines verstorbenen Mannes sind immer noch bei mir und ich werde sie Ihnen zusenden, wenn ich Ihre oben genannten erhalten habe Details, damit ich sie sofort an die Bank sende, damit sie mit der Arbeit an der Überweisung an Sie beginnen kann.

Ich versuche mich, in die Situation von Mariya zu versetzen. Eine schwerkranke Frau, die nur noch wenige Wochen zu leben hat und deren letzter Wunsch es ist, den Millionen-Nachlass ihres Mannes in guten Händen zu wissen. Somit ist es doch nur logisch, dass sie alles sehr schnell abwickeln möchte und, wie sie schreibt, bereits die Bank darüber informiert hat, dass die Transaktion des Geldes kurz bevor steht. Dabei weiß Mariya zum jetzigen Zeitpunkt nichts über mich und kennt nur meinen Namen.

Ich füge dieser Mail einige Kopien meiner Bilder bei, damit Sie meinen formellen Gesundheitszustand und meinen neuen Zustand jetzt sehen können, da ich sehr krank wurde, denn im Moment kann ich nur auf meinem Krankenbett schlafen und meine E-Mails abrufen und Antworte auf dich, also lass mich bitte nicht im Stich, ich brauche deine Ernsthaftigkeit und Ehrlichkeit gegenüber diesem Wunsch und ich bete, dass Gott uns allen hilft.

Tatsächlich sendet mir Mariya mit ihrer Email vier Anhänge:

Mariya schreibt weiter:

Ich warte auf Ihre dringende Antwort, wenn Sie bereit sind, mir bei diesem Vorschlag zu helfen, und ich möchte, dass Sie mir versprechen, dass Sie mich nicht verraten werden, sobald das Geld auf Ihrem Konto in Ihrem Land überwiesen ist, und ich habe auch mein Bild beigefügt damit du mich kennst und ich warte auf dein eigenes Bild.

Danke und Gott schütze dich.

Mit freundlichen Grüßen
Schwester Mariya Singh

Ich bleibe zurückhaltend und möchte die Dateien nicht einfach öffnen. Vielmehr nehme ich mir vor, die Anhänge später etwas genauer zu untersuchen und zu prüfen, ob es sich dabei wirklich nur um Bilder handelt. Oder ob es sich vielleicht um manipulierte Dateien handeln könnte, um Schadsoftware auf meinem Computer zu installieren…

AW: Nächster Angehöriger

Die Idee, auf die vermeintliche Spam-Mail aus Indien zu antworten, reizt mich weiterhin. Trotzdem überlege ich, ob ich dabei auch ein Risiko eingehe. Nachdem aber der Absender meine Email-Adresse kennt, kennt er wohl auch meinen Namen. Trotzdem nehme ich mir vor, nicht allzu viel von mir preiszugeben.

Apropos Absender: Ich gehe nicht wirklich davon aus, dass ich mit einer Mariya schreibe. Wer auch immer der Absender der Email sein mag, ich entscheide mich dazu, ihn mir als Mariya vorzustellen.

Also setze ich mich an den Computer und hole die Email wieder aus dem Spam-Order. Nachdem ich die Sache aber nicht so ernst nehme und eigentlich auch nicht mit einer Antwort auf meine Email rechne, schreibe ich sehr überheblich und sarkastisch:

Sehr geehrte Frau Mariya Singh,

vielen Dank für Ihre Email und auch für die Zusendung der Massage – meine Wirbelsäule spürt zwar keine Besserung, aber ich danke Ihnen trotzdem.

Es schmerzt mich zutiefst, dass Ihr geliebter Mann ganze zwei Jahre lang an Covid19 sterben musste. Ohne ihn zu kennen, hätte ich mir für ihn gewünscht, dass sein Dahinscheiden doch etwas schneller verlaufen wäre.

Daher irritiert es mich etwas, dass Sie schreiben, er sei nach “kurzer Krankheit” gestorben. Aber wie wissen wir spätestens seit Einstein: Zeit ist relativ.

Dass sie selbst als Krebs- und Schlaganfall-Patientin nur noch wenige Monate zu leben haben, bedauere ich sehr. Ich versichere Ihnen, das Geld Ihres Mannes, wie gewünscht, für wenig privilegierte Menschen zu verwenden!

Ich finde es sehr fair, dass Sie mir zugestehen, 60% des Geldes für mich zu behalten. Dafür möchte ich mich ausdrücklich bedanken.

Was die anderen 40% angeht: hier finden sich sicherlich einige Projekte, bei denen den Menschen wirklich geholfen wird. Die Unterstützung des Gotteshauses betreffend habe ich aber noch eine Frage:

In meiner Stadt gibt es weit über 50 Kirchen. Haben Sie hier eine ganz konkrete Kirche im Sinn, die unterstützt werden soll?

Ich freue mich darauf, wenn der Bankmanager mit mir Kontakt aufnimmt und wünsche Ihnen alles Gute für die verbleibenden Wochen.

Thomas Haselmann

Ob meine Email überhaupt gelesen wird? Und wenn, werden der Inhalt und der ironische Unterton verstanden? Und: wird mir Mariya antworten?

Nächster Angehöriger

Es gibt Momente, die das Leben eines Menschen von der einen auf die andere Sekunde verändern. Der unerwartete Tod eines nahestehenden Menschen beispielsweise. Oder wenn bei der Lottoziehung die richtigen sechs Zahlen zu 70er-Jahre-Fahrstuhlmusik aus der monströsen Plexiglasmaschinerie herauspurzeln. Oder wenn das eigene Flugticket wegen Überbuchung storniert wird, der Flieger, in dem man nicht sitzt, dann aber abstürzt. Zugegeben, die letzten beiden Beispiele sind sehr unwahrscheinlich.

Heute hatte ich einen solchen Moment, der zumindest einen neuen, mir bis dato unbekannten Aspekt in mein Leben gelassen hat. Beinahe wäre der sprichwörtliche Kelch an mir vorübergegangen. Schuld daran sind die restriktiven Einstellungen meines Spam-Filters, der mich vor allzu aufdringlichen Emails schützen soll. Aber, warum auch immer, die unten stehende Email hat es in meinen Posteingang geschafft, und schon die Anrede weckt meine Neugierde, appelliert sie doch vehement an meine feminine Seite.

Hallo, meine Liebste,

Die vertraut wirkende Ansprache baut sofort eine intime Nähe zur mir auf und der verwendete Superlativ triggert zudem mein Ego. Ich entschließe mich, auch die weiteren Zeilen zu lesen:

Ich möchte, dass Sie diesen Brief sehr sorgfältig lesen, und ich muss mich dafür entschuldigen, dass ich Ihnen diese Massage aufgrund der vertraulichen Dringlichkeit dieses Problems ohne formelle Einführung an Ihre E-Mail gesendet habe. Ich bin glücklich dich zu kennen. Aber der Allmächtige Herr kennt Sie besser und weiß, warum er mich an dieser Stelle zu Ihnen geleitet hat. Zunächst sah ich Ihre E-Mail-Adresse und Kontaktdaten bei meiner Online-Suche nach einem guten nächsten Angehörigen, da ich dringend meinen letzten Wunsch in die Tat umsetzen wollte, bevor ich in absehbarer Zeit sterbe.

Ich weiß nicht, an welcher Stelle genau mich der Absender dieser Zeilen gecatcht hat. Zwar irritiert es mich etwas, mal mit “Ihnen”, dann aber wieder mit “dich” angesprochen zu werden, aber vielleicht freue ich mich auch einfach nur, eine vitalisierende Massage per Email bekommen zu haben. Außerdem finde ich es spannend, dass der “Allmächtige Herr” mich wohl ausgewählt hat. Also weiter!

Ich schreibe Ihnen diese Mail mit schweren Tränen in meinen Augen und großer Trauer in meinem Herzen. Mein Name ist Frau Mariya Singh. Ich kontaktiere Sie aus meinem Land Indien. Ich möchte Ihnen dies sagen, weil ich keine andere Wahl habe Um Ihnen zu sagen, als ich berührt war, mich Ihnen zu öffnen, bin ich mit Herrn Peter Singh verheiratet, der neun Jahre lang bei der indischen Botschaft in Madrid, Spanien, gearbeitet hat, bevor er in den letzten zwei Jahren an Covid19 starb. Wir waren elf Jahre ohne Kind verheiratet.

Er starb nach kurzer Krankheit am Coronavirus, die nur zwanzig Tage anhielt. Als mein verstorbener Mann noch lebte, hinterlegte er die Summe von 10.850.000,00 € (zehn Millionen achthundertfünfzigtausend Euro) auf einer Bank hier in Indien. Derzeit ist dieses Geld noch auf der Bank, er hat dieses Geld für den Export von Gold aus dem Bergbau in Madrid, Spanien, vor seinem plötzlichen Tod zur Verfügung gestellt. Kürzlich sagte mir mein Arzt, dass ich aufgrund eines Krebsproblems die Dauer von 3 Monaten nicht durchhalten würde. Am meisten stört mich meine Schlaganfall-Erkrankung. Nachdem ich meinen Zustand gekannt habe, habe ich beschlossen, Ihnen dieses Geld zu übergeben, um sich um die weniger privilegierten Menschen zu kümmern. Sie werden dieses Geld so verwenden, wie ich es hier anweisen werde.

Ich möchte, dass Sie 60 Prozent des Gesamtgeldes für Ihren persönlichen Gebrauch und für Ihren Einsatz und Ihr Engagement für die Wohltätigkeitsprojektarbeit verwenden, während 40 % des Geldes für die Wohltätigkeitsprojektarbeit, für Menschen in Not von der Straße und für die Hilfe verwendet werden Waisenhaus auch, ich bin als Waise aufgewachsen und habe niemanden als mein Familienmitglied. Sorgen Sie auch dafür, dass das Gotteshaus aus den Mitteln unterhalten wird. Ich tue dies, damit Gott meine Sünden vergibt und meine Seele annimmt, weil ich so sehr unter dieser Krankheit gelitten habe. Sobald ich Ihre Antwort erhalten habe, werde ich Ihnen die Kontaktdaten der Bank hier in Indien mitteilen und den Bankmanager anweisen, Ihnen ein Vollmachtsschreiben auszustellen, das Sie als gegenwärtigen Begünstigten des Geldes auf der Bank ausweist Sie versichern mir, dass Sie entsprechend handeln werden, wie ich es hier angegeben habe.

In der Hoffnung, Ihre Antwort zu erhalten, werde ich dann so schnell wie möglich mit Ihnen zur Bank gehen, um das Geld auf Ihr Bankkonto zu überweisen, das heißt, wenn Sie ernsthaft genug sind, das Projekt zu handhaben, und sich auch dafür einsetzen, weil ich glaube kann dir ehrlich vertrauen.

Hochachtungsvoll.

Von Frau Mariya Singh

Keine Frage, das ist Spam! Ich amüsiere mich über die krude Geschichte und klicke auf “In den Spam-Ordner verschieben”. Die Email verschwindet aus dem Posteingang.

Am Abend aber liege ich im Bett und stelle mir die Frage: Was passiert eigentlich, wenn man auf eine solche Email antwortet?

Ich finde die Frage spannend! Morgen werde ich Frau Singh antworten, nehme ich mir fest vor. Immerhin hat sie ihr Herz vor mir ausgeschüttet und wendet sich als todkranke Frau mit ihrem vielleicht letzten Wunsch an mich.

Morgen werde ich ihr antworten!

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